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Woher sie kamen





 

  Im Kehdinger Land
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Ratsherr Jacob Selm

Die authentische Geschichte der Familie Sillem beginnt im 16. Jahrhundert. Die Brüder Jacob Selm (1517-1584) (s. Abb.) und Heyn Sylm (?-1565) zog es, aus dem Kehdinger Land kommend, über den Elbefluss in die Freie Reichs- und Hansestadt Hamburg. Hier taten sich die beiden als erfolgreiche Kaufleute hervor. Angenommen wird, dass sich holländische Vorfahren  im 14. oder 15. Jahrhundert im Lande Kehdingen ansiedelten. Damals umdeichten niederländische und friesische Bauern das sumpfige Marschland der Süderelbe und gewannen so fruchtbares Ackerland. In dörflichen Kirchenbüchern finden sich dann auch Namen wie Silm, Zelm und Selm. Möglicherweise stammt die Familie ursprünglich aus der Gegend um Zelhem, einem bereits aus dem 9. Jahrhundert bekannten Handelsstädtchen, das im Osten Hollands gelegen ist. Sein Name wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte von Selhelm, Zeelen, Zelm, Zillem bis hin zum heutigen Zelhem.









Mit Hamburg verbunden

Jacob und Heyn heirateten Damen alteingesessener Ratsfamilien. Und auch Jacob selbst bestimmte man im Jahre 1560 zum Ratsherrn der Stadt. Bruder Heyn erreichte dagegen kaum das 50. Lebensjahr. Vermutet wird, dass er an der Pest zugrunde ging. Da beide Söhne zeugten, gelten sie bis heute als die Gründer zweier Sillemscher Familienstämme. Aus diesen gingen bedeutende Persönlichkeiten der Stadt hervor. So stellte die Familie unter anderem 2 Bürgermeister, 9 Ratsherrn, 15 Richter, 7 Kämmereibürger, 11 Bancobürger und 14 Waisenhausbürger. Im Rathaus kann der Besucher Bildnisse von Ratsherrn und Bürgermeistern betrachten, und das Sillemsche Wappen schmückt neben anderen die prächtige Fassade. Söhne und Enkel von Heyn Sylm waren Tuchhändler und gehörten als solche der städtischen Oberschicht an. Die Mehrzahl der Jacobschen Nachfahren wurden Fernkaufleute. Sie ließen ihre Handelswaren bis hin zur iberischen Halbinsel verschiffen und trieben mit ihren Partnern in Flandern, Holland und England Im- und Export. Einer von Jacobs Enkeln hatte in Basel Rechtswissenschaft studiert. Er war der erste Jurist der Familie. Ihm folgten circa 20% aller Nachfahren. Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebten die Angehörigen beider Stämme in Hamburg. Persönlich eng miteinander verbunden und verschwägert, führten sie ein und dasselbe Familienwappen.
 
 
 
Über Hamburg

 
Hamburg
im Bild









Nicolaus Sillem

Unruhestifter in der Stadt

Da waren am Ende des 17. Jahrhunderts zwei einflussreiche Kaufleute, die die Macht im republikanischen Stadtstaat an sich rissen. Der eine hieß Hieronymus Snitger (1648-1686). Er war mit einer Cäcilia Sillem (?-1681) verheiratet. Nachdem der regierende Bürgermeister die Flucht ergriffen hatte, schlossen sich viele der Bürgerschaftler (Parlamentarier) den beiden an. Sie jagten Ratsherrn aus dem Amt, setzten neue ein und regierten munter drauf los. Der geschasste Bürgermeister gewann den Herzog von Lüneburg und Celle für eine Gegenattacke. Truppen setzten sich in Richtung Hamburg in Bewegung. Das Ziel: den alten Bürgermeister wieder in sein Amt zu heben, und die beiden Revoluzzer hinter Schloss und Riegel zu bringen. Die ersuchten den Dänenkönig, dessen Einflussbereich bis vor die Tore Hamburgs reichte, den Einzug der Lüneburger zu verhindern. Dem kam die Bitte sehr gelegen, waren doch die Dänen seit langem bestrebt, die Stadt in ihr Reich einzuverleiben. Als die Hamburger von dem Handel erfuhren, öffneten sie den Lüneburgern die Tore und sperrten die beiden Kaufleute ein. Die Rache des wieder eingesetzten Bürgermeisters folgte umgehend: Sie wurden gefoltert und anschließend enthauptet. Cäcilia hatte glücklicher Weise bereits fünf Jahre zuvor das Zeitliche gesegnet. Anhänger der beiden wurden mit hohen Strafen belegt. So auch der Advokat Nicolaus Sillem (1649-1721). Er musste 10 000 Taler Strafgebühr entrichten und mit Ehefrau und fünf Kindern die Stadt verlassen. Doch im Königreich Dänemark führte er als Richter vermutlich ein behagliches Leben.









Ratsherr
Hieronymus Sillem

Aus dem Amt gejagt

Die innerstädtischen Unruhen setzten sich fort. So verlor der Kaufmann und Reeder Hieronymus Sillem (1648-1710) nicht nur seinen ihm auf Lebzeiten zugesicherten Ratssitz, sondern musste außerdem zur Kenntnis nehmen, dass ein Gerichtsvoigt seine Ehefrau bezichtigte, einen ihrer Knechte vergiftet zu haben. Die Dame obsiegte vorm Niedergericht und der Denunziant wurde mit der Schandglocke aus der Stadt getrieben. Anno 1696 hatte die Kaiserliche Gesandtschaft den Rat aufgefordert, einen Bürger namens Rees festnehmen zu lassen. Damit beauftragt wurde der Ratsherr Hieronymus Sillem,  ältester Gerichtsverwalter der Stadt. Freunde des Arrestanten empörten sich darüber und beantragten beim Rat und bei den Oberalten dessen sofortige Freilassung. Es widerspräche der Hamburger Verfassung, einen Bürger festzunehmen, wenn jener bereit sei, eine Kaution zu zahlen. Der Rat reagierte sofort, und schickte den Bürger Rees wieder nach Hause. Dem reichte das Entgegenkommen nicht aus. So übergab er der Bürgerschaft ein Bittgesuch, in welchem er beantragte, den Ratsherrn Sillem zu suspendieren. Die Bürgerschaft stimmte dem zu und forderte den Rat auf, der Bitte zu folgen. Der verweigerte den Antrag mit dem Hinweis, dass Sillem in seinem Auftrag gehandelt habe. Er selbst habe Rede und Antwort gestanden und die schriftliche Anordnung vorgelegt, die er vom Rat bekommen habe. Daraufhin beriefen die Bürger in ihren Kirchspielen (Stadtgemeinden) Versammlungen ein und beantragten mit Erfolg die Absetzung des Ratsherrn. Doch die Regierenden akzeptierten die Abstimmungsergebnisse nicht und wiesen darauf hin, dass nur sie allein über einen solchen Vorgang entscheiden könnten.

Bei einer nächsten Versammlung forderte man den Rat auf, einen Nachfolger für Sillem zu bestimmen, weil ihn die Kirchspiele abgesetzt hätten. Der Rat lehnte wiederum ab. Die Folge: In den Kirchspielen wurde ein neuer Ratsherr gewählt. Der gab zur Kenntnis, dass er das Amt nur dann übernähme, wenn auch der Rat ihn wählen würde. Der lehnte wiederum ab. Daraufhin kündigte die Bürgerschaft dem Rat an, ihm so lange keine Gelder mehr zu bewilligen, bis er sich füge. Nach etlichen Wortwechseln zogen die Bürger des Nachts um 3 Uhr unverrichteter Dinge ab. Über seinen Gesandten schaltete sich nun auch der Kaiser in die Zwietracht ein. Doch der Rat ließ sich nicht beirren. Fünf Wochen später berief er eine Bürgerschaftssitzung ein. In ihr bot er das Folgende an: Wenn die Bürger auf eine Amtsenthebung des Sillem verzichteten, dann wolle man ihren Kandidaten ebenfalls zum Ratsherrn ernennen. Die Bürger lehnten ab. Ihre Antwort: Entweder solle Sillem abgesetzt werden, oder die folgenden Sanktionen würden verhängt:
  1. Der Rat solle ein Jahr lang kein Salär beziehen.
  2. Steuereinnahmen sollten nicht dem Rat, sondern den Oberalten überlassen werden.
Der Rat beharrte dennoch auf seiner Ablehnung. Daraufhin beschlossen die Bürger, dass die Regierenden das Rathaus erst dann verlassen dürften, wenn sie sich der Forderung der Bürgerschaft fügten. Man schickte die Ratsdiener nachhause und beorderte einige der Bürger als Wache vor die Ratsstube. Am nächsten Morgen gegen 8 Uhr verzogen die sich unverrichteter Dinge. Am folgenden Tag berief dann der Rat die nächste Bürgerschaftssitzung ein und schlug vor, Sillem zwar den Ratssitz zu belassen, ihm aber das Richteramt zu entziehen. Die Bürger lehnten wiederum ab und verriegelten aufs Neue alle Türen. Drei Stunden später wurde Sillem seines Amtes enthoben, und der von den Bürgern Erwählte trat die Nachfolge an.
   
12 Jahre später veranlasste die vom Kaiser eingesetzte Hohe Kommission den Rat, Sillem wieder in seinen Ehrenstand zu versetzen. Er solle seinen Ratssitz erneut einnehmen und auch das Salär von 6000 Reichstalern erstattet bekommen, das man ihm 12 Jahrelang vorenthalten habe. Also wurde er am 11. März 1709 zum Rathaus gebeten. Zwei jüngere Bürger, nämlich sein Sohn Garlieb und ein Herr Rumpff ließen die Staatskarosse zu seinem Haus kutschieren und holten den Rehabilitierten ab.









Bürgermeister
Garlieb Sillem



Gedenkmünze  
für den Bürgermeister




Hamburg 1750
(Quelle: http://www.historic-maps.de/)
Garlieb Sillem beim Kaiser in Wien

Hieronymus Sillem hatte einen Sohn. Es war der Jurist und spätere Bürgermeister Garlieb Sillem (1676-1732). Es folgt ein spektakuläres Ereignis, das sich während seiner Amtszeit zugetragen hat:

Bereits im 16. Jahrhundert hatte sich die Hamburger Stadtregierung zum Protestantismus bekannt. Katholische Gottesdienste durften seit dem nur noch auf den Territorien katholischer Gesandtschaften zelebriert werden. So auch auf dem Gesandtschafts-Terrain des Wiener Hofes. Wegen des hohen Andrangs veranlasste der Gesandte, den vorhandenen Kapellenbau zu erweitern. Das widersprach den Vorstellungen protestantischer Pastoren. Von den Kanzeln wiegelten sie ihre Gläubigen massiv gegen das Bauvorhaben auf. Die Folge: Der Pöbel schlug alles kurz und klein, die Kapelle und auch das Gesandtschafts-Interieur. Ratsregierung und Polizei hielten sich bedeckt. Als man wenig später dem Kaiser den Vorfall unterbreitete, befahl der eine hochrangige Ratsdelegation kniefällig vor seinen Thron. Sollte dies in absehbarer Zeit nicht erfolgen, würden kaiserliche Truppen Hamburg besetzen und die Schuldigen vor Gericht stellen lassen. Garlieb Sillem reiste zum Kaiser Karl VI. nach Wien. In seiner Begleitung befanden sich ein Ratsherr und zwei Oberalte. Aus Hamburg ebenfalls auf den Weg geschickt: Ein Fass voller Heringe und Sekt für die Majestäten. Nachdem der Bürgermeister kniefällig die Kaiserliche Gnade angefleht und die Reue der Stadt ausgesprochen hatte, befahl die Majestät, sich wieder zu erheben. Sodann schenkte er der Stadt erneut seine Gnade, weil Rat und Bürgerschaft ernstlich Reue bezeugt hätten. Kaiser und Kaiserin hätten danach huldvoll erzählt, dass es die ersten Heringe gewesen seien, die sie in diesem Jahr bekommen hätten.

Danach soll der Kaiser befohlen haben, den Bürgermeister zur Kaiserlichen Tafel zu bitten. Der Überbringer der Einladung habe dazu untertänigst bemerkt, dass Majestät keine Bürgerlichen an seiner Tafel dulde. Darauf der Kaiser:
    „Dann adelt ihn gefälligst!“
Doch Garlieb soll bedauernd zur Kenntnis gebracht haben, dass es ihm als Hamburger Bürger verwehrt sei, geadelt zu werden. Dies entspräche einem ungeschriebenen, seit Jahrhunderten bestehenden Gesetz. Dazu der Kaiser:
    „Dann adelt’s ihn gefälligst für den heutigen Abend.“
Der Bürgermeister habe die Einladung daraufhin untertänigst angenommen. Der Kniefall, die Heringe und die Höhe der Strafgebühr besänftigten den Monarchen. Volle drei Monate dauerten die Verhandlungen. Erst dann konnte die Delegation die Heimreise antreten.









Bürgermeister
Martin Garlieb Sillem





Gedenkmünze
für den Bürgermeister


Martin Garlieb Sillem bei Napoleon

Ein Enkel des Bürgermeisters Garlieb Sillem erwies sich als begabter Kaufmann und geschickter Politiker. Sein Name: Martin Garlieb Sillem (1769-1835) (s. Abb. ). Er trat als Lehrling in das renommierte Handelshaus des Johannes Schuback (1732-1817) ein und brachte es im Laufe der Jahre zum Partner des Seniors. Sein Vetter, Jerôme Sillem (1768-1833), führte bereits im Alter von 19 Jahren das ebenfalls bedeutende Unternehmen Matthiessen & Sillem. Der Grund: Sein gichtkranker Vater war der Aufgabe nicht mehr gewachsen. Jerôme und Martin Garlieb waren Freunde. Im Jahre 1810 besetzten Napoleonische Truppen die Städte Hamburg, Lübeck, Bremen und Lüneburg. Der Kaiser führte das von ihm neu geschaffene Departement dem französischen Mutterland zu und bestimmte Hamburg zur Regional-Metropole. Schon zuvor hatte er mit einer Sperre englische Schiffe aus kontinentaleuropäischen Häfen verbannt. Die Folge: Im- und Export lagen weitgehend brach. Viele Handelshäuser gingen Konkurs. Die Ratsregierungen wurden entlassen. Dafür beuteten die neuen Herren die Bevölkerung über hohe Steuern aus, raubten den Firmen ihre Barbestände und beschlagnahmten den Silberschatz der Hamburger Bank. Gemeinsam mit ihren Partnern liquidierten Martin Garlieb und Jerôme ihre Firmen, um Vermögen zu retten. Jerôme transferierte sein Kapital nach St.Petersburg, wo er als Finanzberater des russischen Zarenhofes agierte und die Interessen eines britisch-holländischen Bankhauses vertrat. Der Name: Hope & Co, Amsterdam. Martin Garlieb übernahm die Leitung der von den Franzosen gegründeten Handelskammer und führte eine Delegation von Fachleuten nach Dresden, wo er Napoleon vergebens um Rückgabe der geraubten Schätze bat. Er wurde vorübergehend inhaftiert. Im Jahre 1814 besiegten alliierte Truppen die Franzosen bei Waterloo. Der Kaiser wurde verbannt und die besetzten Länder und Städte von den Okkupanten befreit. So auch die Freie und Hansestadt Hamburg. Martin Garlieb begab sich umgehend nach Paris, wo er Rückzahlungen an seine Stadt einforderte. Das Resultat befriedigte ihn weniger. Napoleons Kriegskosten hatte den Staatshaushalt all zu sehr geschröpft. In jenen Tagen ernannte man Martin Garlieb zum Ratsherrn der neuen Stadtregierung. Die Firma Johannes Schuback blühte wieder auf. Der Senior hatte sich aufs Altenteil zurückgezogen und an seiner statt Enkel Johannes Amsinck (1792-1879) eingebracht. Bis zu seiner Ernennung zum Bürgermeister führte Martin Garlieb das Handelshaus. Danach übernahm der Junior das Ruder. Erst im Alter von 56 Jahren hatte sich Martin Garlieb vermählt. Er starb kinderlos. Sein Neffe, Dr. jur. Dr. med. Hans Wolder Sillem (1796-1835) zeugte ebenfalls keine Nachkommen. Er starb im Alter von nur 39 Jahren. Mit ihm erlosch der Jacobsche Familienstamm.


   





Bildbeschreibung s. u.*
Sie fasziniert bis heute
 
Bedauerlicherweise tritt die Damenwelt im familiengeschichtlichen Umfeld zumeist nur als „Anhängsel“ der im Vordergrund wirkenden Ehemänner auf. Damit trifft die Kurzformel Kinder-Küche-Kirche genau den Punkt. Aber es gab Ausnahmeerscheinungen. Eine davon war Marie Louise Sillem, geborene Matthiessen (1749-1826). Ihr Vater war Chef eines führenden Hamburger Handelshauses und die Mutter Angehörige zweier Hugenotten-Familien, die nicht lange zuvor aus Frankreich übergesiedelt waren. Marie Louises Angetrauter war Garlieb Helwig Sillem, Sohn eines Hamburger Ratsherrn. Ihn nahm der Schwiegervater als Partner in sein Unternehmen auf. Die Braut war 21 Jahre jünger als er. Sie war anmutig, kultiviert, realitätsbezogen und später auch sozial engagiert. Im Laufe ihres Lebens entwickelte sie sich zu einer charismatischen Persönlichkeit, von jedermann hoch geachtet und von Vielen geliebt. Marie Louise gebar nicht weniger als 17 Kinder. Von ihnen erreichten nur neun das Erwachsenenalter. Ihr all zu häufiges Wöchnerinnendasein und ihr Kummer über so viele dahin geschiedene Kinder hat sie erstaunlich gut verkraftet. Geholfen dabei hat ihr der unerschütterliche Glaube an die Allmacht Gottes.

Marie Louise mit Jerôme

Garlieb Helwig bereitete seiner Eheliebsten ein Leben im Wohlstand. Ihr zur Seite standen dienstbare Geister, angefangen von der Kammerzofe, dem Kutscher und den Gärtnern bis hin zum gesamten Hauspersonal. Das Stadthaus mit seinen Nebengebäuden für Kontore und Lagerräume befand sich in Hafennähe. Für Hauskonzerte, die Marie Louise veranstaltete, eignete sich der große Saal. Im Mittelpunkt der Darbietungen standen Händels Oratorien. Der geniale Musiker lebte damals in London. Die englischsprachigen Texte übersetzte Louise Reichardt, eine bekannte Liederkomponistin und enge Freundin der Hausherrin.
 
Garlieb Helwig starb 73-jährig, tief betrauert von Marie Louise und den Kindern. Über ihn schrieb die Witwe dereinst:
 „… in meinem letzten Brief habe ich ihn (ihren Sohn Jean) auf die angestrengte Tätigkeit seines Vaters und auf den ununterbrochen fast in Sklaverei ausartenden Fleiß aller Mitarbeiter im Contoir aufmerksam gemacht….“
Weil ihr Vater Jahre zuvor verstorben war und der Ehemann seit langem unter qualvollen Gichtschmerzen litt, übernahm Sohn Jerôme bereits im Alter von 19 Jahren die Leitung des international agierenden Unternehmens. Die Mutter verbrachte derweilen viele Monate des Jahres in ihrem wunderschönen Landhaus und empfing dort neben Töchtern und Söhnen, Schwiegerkindern und Enkeln Freunde aus dem In-und Ausland. Ein Freund von Johann Wolfgang Goethe schrieb dem Dichterfürsten unter anderem das Folgende:
  „…Kaum in Amsterdam angelangt, sitze ich zu Tische neben einem Herrn Sillem (Jerôme), und ich erkenne in ihm den Sohn der würdigsten und reichsten Witwe in Hamburg, der ich bei meiner dortigen Anwesenheit das Glück gehabt habe zu gefallen, weil sie mir unendlich gefiel….“
Aufschluss über ihre edle Gesinnung und ihre gebenden Hände erfährt der Leser aus der noch vorliegenden Korrespondenz. Die Briefe sind in dem Buch Die Sillems in Hamburg veröffentlicht.

* Der Schöpfer des abgebildeten Familienbildes (siehe oben) ist der bis heute geschätzte Daniel Chodowiecki. Er portraitierte die Größen seiner Zeit. So unter anderem den Preußenkönig Friedrich II. (der Große) und die Dichter Goethe und Schiller. Ins Sillemsche Gemälde setzte er sich selbst zeichnend ins Bild. Seine „Modelle“ waren Garlieb Helwig und Marie Louise mit den Kindern Jean (links), Franziska und Jerôme. Der hält einen Federballschläger in der Hand.

 
s. auch Hamburger Abendblatt v. 7. 12.1916


 



















Die Söhne
Adolph, Wilhelm,
Carl und Ernst

Ein großer Bankier

     

                Wilhelmine und Jerôme Sillem 


Jerôme Sillem gehörte dem Heynschen Stamm an. Vom Zusammenbruch des napoleonischen Reiches erfuhr er wahrscheinlich in St. Petersburg, wo er damals mit seiner Frau Wilhelmine und fünf Töchtern zu Hause war. Seine vier Söhne hatte er der Obhut von Schwager und Schwägerin überlassen, die in Hamburg lebten. Gleichzeitig empfing er ein höchst attraktives Angebot: Der Hauptanteilseigner des Bankhauses Hope & Co bot ihm die Übernahme eines Drittels des Firmenkapitals und die Leitung des Unternehmens an. Jerôme nahm das Angebot an und zog mit der Familie nach Amsterdam. Mit großem Engagement führte der geniale Finanzexperte das Unternehmen in die Spitzengruppe europäischer Geldinstitute, hoch geschätzt von der internationalen Bankenwelt. In Hamburg gründete er für  zwei  seiner  Söhne  die  Firma  Sillem & Co. Beide stattete er für den Einschuss mit je 1000 000 Bancomark aus. Börsianer empfanden dies als eine ungewöhnliche hohe Summe. Sohn Carl (1802-1876), der der Ahnherr aller in Deutschland lebenden Sillems ist, war fürs Kaufmännische weniger geeignet. Er wäre lieber Landwirt geworden. Bruder Wilhelm (1804-1885), der bei Hope & Co. in die Lehre gegangen war, zeigte zwar kaufmännisches Geschick, entwickelte sich jedoch zu einem leichtfertigen Spekulanten. Sein „Paradestück“ leistete er sich, als er der polnischen Regierung einen Kredit in schwindelnder Höhe gewährte: Eine Vorfinanzierung auf die Ernte des Jahres. Das Geld diente den Polen zur Finanzierung eines Feldzuges gegen Russland. Das Zarenreich obsiegte und  das führte die Firma Sillem & Co. in den Konkurs. Vater Jerôme war zutiefst enttäuscht. Und das nicht nur wegen des Kapitalverlustes. Schließlich war er Hofbankier des russischen Zaren! Jerôme lebte nur noch kurze Zeit. Seine Nachfolge bei Hope & Co. übernahm Sohn Ernst (1807-1861). Ehefrau Henriette, Tochter des Rigaer Bürgermeisters, und er sind die Gründer des holländischen Astes der Familie Sillem. In den Niederlanden leben heute mehr Namensträger als in Deutschland.










An Hamburgs
Jungfernstieg

Hotel de Russie
und
Sillem's Bazar



Ein kreativer Spekulant



Wilhelm Sillem hatte keine Lehren aus dem von ihm angerichteten Desaster gezogen. Im Gegenteil: Er setzte auch weiterhin auf Spekulationsgewinne. Zunächst begab er sich mit seiner zahlreichen Familie nach London, wo er in der Firma seines Onkels Hermann Sillem (1788-1849) eine Anstellung fand. Hermann war einer von Jerômes jüngeren Brüdern. Er und seine aus Kassel stammende Ehefrau sind die Gründer des englischen Astes der Familie Sillem. Nur zwei Jahre hielt es Wilhelm in London. Dann versuchte er in Mexiko sein Glück. Seine dortigen Partner entzogen ihm wegen gescheiterter Spekulationsgeschäfte schon bald das Vertrauen. Nach weiteren vier Jahren kehrte er erfolglos nach Hamburg zurück. Mit seiner vermögenden Mutter im Rücken startete er zwei neue Projekte. In Hamburgs Innenstadt ließ er eine Nebenstraße bauen und an ihr 17 Häuser für Wohlhabende errichten. Nach neun Jahren hatte Wilhelm erst 9 Häuser verkauft. Den Rest übernahm und vermarktete sein Bruder Adolph Sillem (1811-1884). Dann ließ Wilhelm an Hamburgs Prachtmeile namens Jungfernstieg die erste glasüberdachte Einkaufspassage Deutschlands und ein Hotel errichten. „Sillem’s Bazar“ begeisterte die Öffentlichkeit zunächst. Doch aufgrund unbedachter Fehleinschätzungen zog sich das zahlungskräftige Publikum nach und nach zurück. Bereits nach 40 Jahren wurden Hotel und Passage abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Beide Projekte waren gescheitert. Die Familie hatte viel Geld verloren. Sie ließ den Spekulanten unter Kuratel stellen. Man gewährte ihm ein festes Jahreseinkommen und veranlasste ihn, die Stadt zu verlassen. Mit Ehefrau und Kindern begab  sich Wilhelm nach Genf, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Dort widmete er sich ganz der Armenfürsorge. Das ihm verbliebene Vermögen teilte er mit Bedürftigen der Stadt. Man nannte ihn den „Vater der Armen“ und benannte sogar eine Straße nach ihm. Sein Sohn Wilhelm Sillem (1842-1904) wurde Landwirt. Er wanderte mit seiner Familie nach Argentinien aus. Seine aus der Schweiz stammende Ehefrau und er sind die Gründer des argentinischen Astes der Familie Sillem.








Ende

Dieses sind Ausschnitte aus einer Familienchronik, die den Titel „Die Sillems in Hamburg“ führt. Das in deutscher Sprache verfasste und reich bebilderte Buch umfasst 260 Seiten. Autor ist der in Hamburg lebende Hans-Wolff Sillem.

Die Chronik kann über sillemhw@t-online.de erworben werden. 


 


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©  Copyright 2012  Martin Sillem  -  Zuletzt bearbeitet 2. November 2016